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#CryptoLeaks ein alter Hut?

Mittwoch 12 Februar 2020 von Rainer W. Gerling

Das ZDF (Frontal21), die Washington Post und das Schweizer Fernsehen (Rundschau) berichten unter dem Label #Cryptoleaks über die wahrscheinlich laut Richard Aldrich, Professor für Internationale Sicherheitspolitik an der Universität Warwick, „wichtigste Geheimdienstoperation der Geschichte“. Es geht um die Tatsache, dass die von Boris Hägelin 1952 gegründete Crypto AG, ein Schweizer Hersteller von Cryptohardware, im Besitz der CIA und des BND gewesen sei. Neu ist die Untermauerung der Geschichte mit Dokumenten, die auch den Umfang der Abhörmaßnahmen zeigen.

Bekannt ist diese Geschichte mindestens seit der Verhaftung des Vertriebsingenieurs der Crypto AG Hans Bühler im Jahr 1992 im Iran. Der Spiegel berichtete in der Ausgabe 36/1996 unter dem Titel: „Wer ist der unbefugte Vierte“ darüber. Noch davor hatte der Focus im März 1994 darüber berichtet. Anlass war das Buch „Verschlüsselt: Der Fall Hans Bühler“ des Schweizer Journalisten Res Strehle aus dem gleichen Jahr. Es soll übrigens im März 2020 in zweiter Auflage erscheinen.

2015 berichtete das Schwizer Nachrichtenportal Infosperber ausführlich über die Spionageaffäre um die Crypto AG. In dem Beitrag wird auf die Freundschaft von Boris Hägelin, Gründer der Crypto AG und William F. Friedman, Krypto-Papst der NSA, eingegangen. Ein beeindruckendes Dokument ist ein Bericht von Friedman über einen Besuch bei der Crypto AG im Februar 1955. Dieses Dokument ist ein Teil der "William F. Friedman Collection of Official Papers", die die NSA im April 2015 veröffentlichte. Mit über 52.000 Seiten gescannter Dokumente eine der größten und relevantesten Sammlungen ehemals geheimer Dokumente zu Thema Verschlüsslung und Geheimdienste.

Im Umfeld der Österreicher Linz Textil entstand die Safeware GmbH, ein Unternehmen, das zu MS-DOS-Zeiten Hardware-Boards zur Verschlüsslung von Dateien auf der Festplatte herstellte. Diese Boards waren mit einem DES-Chip und einem externen Kartenleser (von Anwendern auf Grund von Form und Größe liebevoll Cola Dose genannt) ausgestattet. Der DES-Chip war Pin-Kompatibel mit einem Chip der Crypto AG. Die Crypto AG vertrieb die Safeware Lösung mit dem eignen Chip als eigene Lösung. Die Mitarbeiter der Safeware GmbH reagierten damals ausgesprochen allergisch, wenn sie auf die Crypto AG und den BND angesprochen wurden.

Der Verfasser erinnert sich an Kundentagungen der Utimaco Safeware AG in München, an denen auch Mitarbeiter der Bundesstelle für Fernmeldestatistik teilnahmen.

Die Safeware GmbH aus Linz wird in den Neunzigern mit der Uitmaco aus Oberursel zur Utimaco Safeware verschmolzen, die dann 1999 als Utimaco Safeware AG an die Börse ging.

Der Chipkartenleserbereich wurde aus der Safeware GmbH ausgegliedert und unter dem Namen Omnikey verselbständigt.

2009 kaufte dann Sophos die Utimaco Safeware AG. Der heute noch existierende Entwicklungsstandort Linz der Sophos zeugt noch von den Wurzeln des Unternehmens.

Der Verkauf der Utimaco Safeware AG an Sophos wurde unter Gesichtspunkten der nationalen Sicherheit vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf Grund der Brisanz nur unter Auflagen genehmigt. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Safeguard Lancrypt Produktfamilie (das Produkt hat seine Wurzeln in der Safeware GmbH) zur Verschlüsslung vielfach im Sicherheitsbereichen deutscher Behörden eingesetzt wird. Auch die Studie „Die IT-Sicherheitsbranche in Deutschland – Aktuelle Lage und ordnungspolitische Handlungsoptionen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie bedauert (Seite 82) den Abfluss des Crypto-Know-Hows aus Deutschland.

Ende 2018 wurde SafeGuard Lancrypt von Sophos an die conpal GmbH übertragen. Die conpal GmbH entstand als Technologieausgründung ehemaliger Mitarbeiter der Utimaco Safeware AG.

Kategorien: IT-Sicherheit, Politik, Spionage